Das von mir geführte Interview wurde in Ausgabe 4/2020 der Graphischen Revue abgedruckt. Ich freue mich, es Ihnen auch hier präsentieren zu können.
Sie beschäftigen sich seit Ihrer Ausbildung an der HfG Offenbach am Main mit dem Thema Buchgestaltung. Wann und wie ist diese Liebe zum Buch entstanden?
Uta Schneider: Schon vor dem Studium hat mich Sprache interessiert. Ein Studium der Germanistik kam für mich jedoch nicht infrage. Die Faszination für das „Wort“ ließ sich im Studium der visuellen Kommunikation im Medium Buch mit dem Bildermachen und der typografischen Gestaltung verbinden. Dass ich Bücher machen wollen würde, war mir zu Beginn des Studiums nicht klar. Am Ende des Studiums umso entschiedener.
Vielleicht spielte auch die lange Tradition für Buch und Typografie im Rhein-Main-Gebiet (viele Schriftgießereien waren hier ansässig) und die Tradition der HfG mit ihrem intellektuellen aber auch Werkstattbezug eine Rolle fürs Buchthema. Die Leiter der Satzwerkstatt und der Buchbindewerkstatt hatten immer ein offenes Ohr für Fragen rund um das Buch.
Wenn man von Büchern spricht, hat man ein gewisses Bild im Kopf. Welche Arten von Büchern gibt es, an die man vorrangig nicht denkt?
Na ja, erst einmal die gängigen Alltagsbücher, die einen jahrelang begleiten: die Schulbücher. In der Regel erinnert man sich an den Stoff und nicht an die Gestaltung. Obwohl diese einen immensen Einfluss auf die Lernqualität haben kann. Unübersichtliches Layout, vollgestopfte Seiten — das ist eher schwer zugänglich. So werden die Inhalte der Schulbücher selten mit den Profis der typografischen Gestaltung zusammen erarbeitet, sondern meist von Fachleuten aus der Pädagogik und des jeweiligen Lehrfachs. Ich meine, alle Schulbücher müssten von den besten Buchgestalter und Buchgestalterinnen eines Landes umgesetzt werden: Hier wird doch so viel Wissen zur Lesequalität von Texten und Navigation durch komplexe Inhalte benötigt.
Ungewöhnliche Bücher? Als es noch Telefonbücher gab – das waren in gewisser Weise auch Bücher, Nachschlagewerke des Alltags eben. Für diese Kategorie wurden eigens Schriften entworfen, die besonders in kleinen Schriftgraden sehr gut lesbar waren, wie die Bell zum Beispiel. Und dann gibt es auch experimentelle, besondere Bücher, die in ihrer Form ungewohnter sind und die typische Kodexform verlassen, aber im weitesten Sinn auch noch ein Buch sein können.
Das Zitat „Print is dead.“ taucht in regelmäßigen Abständen immer wieder auf. Is it? Viele Menschen lesen Bücher auf sogenannten E-Readern. Das ermöglicht das Mitsichführen ganzer Bibliotheken. Welchen Stellenwert haben gedruckte Bücher in einer heute stärker digitalisierten Welt?
Klares Nein zur ersten Frage. Die Auflagenhöhen verändern sich in der Buchproduktion, aber ich glaube nicht, dass langfristig der Bedarf an Druckerzeugnissen generell verschwinden wird. Ich gehe davon aus, dass noch viel entschiedener zwischen Print und Digital unterschieden werden muss und der Frage, welche Inhalte sollen digital und welche analog veröffentlicht werden – und warum.
Zur zweiten Frage: Das gedruckte Buch ist ein Objekt mit eigenständiger Ausstrahlung, Anmutung, Wirkung. Dadurch wird es unterscheidbar von anderen Büchern. Am Monitor oder der E-Reader-Oberfläche sehen alle Bücher mehr oder weniger gleich aus. Deshalb ist Buchgestaltung für Print in den letzten zwei Jahrzehnten wieder stärker zur Produktgestaltung geworden, zur Formgebung, bei der die „Message“ des Materials mit einbezogen wird. Weiterer Unterschied: Das gedruckte Buch kann unabhängig von elektronischer Infrastruktur genutzt werden. Der Zugang ist einfacher. Es ist in gewisser Weise autonom.
Welche Voraussetzungen müssen herrschen, um eine erfolgreiche Buchproduktion abwickeln zu können und dafür, dass Sie ein Buch als gelungen bewerten?
Gelungen ist ein Buch für mich, wenn alle verwendeten Mittel, die das Buch ausmachen (Struktur, Form, Material, Typografie), den jeweiligen Inhalt transportieren. Wenn ein Buch von innen heraus entwickelt wurde, um einen Inhalt zu erschließen oder zu interpretieren.
Wenn die Kommunikation zwischen allen Beteiligten auf Augenhöhe geführt wird, können alle ihre Professionalität im eigenen Tätigkeitsbereich einsetzen. Werden alle Parteien von Beginn an einbezogen – beginnend beim Lektorat über die Gestaltung bis hin zur Druckerei und Buchbinderei –, trägt das sicher zu einem zufriedenstellenden Ergebnis bei.
Wie wichtig sind Bücher für jüngere Generationen und speziell für Kinder?
Kinder können von den erweiterten Räumen profitieren, die bei der Lektüre von Bilderbüchern erzeugt werden können und zum Träumen, Nachdenken oder Entdecken einladen. Das gilt ja auch für uns Erwachsene, wenn wir ein literarisches Werk lesen. Alles, was die Fantasie anregt, kann doch nur von Vorteil sein. Egal in welchem Alter, oder?
Welche Vorteile hat die technische Entwicklung der Druckindustrie Ihrer Meinung nach für die Produktion von Büchern mit sich gebracht? Gibt es auch Nachteile?
Seit Jahrzehnten verändert sich die Satz- und Drucktechnik permanent. Heute können viel leichter kleinere Auflagen in guter Qualität produziert werden, als noch vor 20 Jahren (das kommt auch Verlagen bei immer kleiner werdenden Auflagenhöhen entgegen). Allerdings ist es schwieriger geworden, die passenden Partnerdruckereien zu finden. Jeder Betrieb hat anderes Equipment und spezialisiert sich zunehmend. Das Angebot ist also enorm erweitert — aber auch unübersichtlicher.
Neben Ihrer Lehrtätigkeit an Hochschulen (u. a. NDU St. Pölten) bieten Sie auch Fortbildung in Seminaren und Jahreskursen an. Erzählen Sie uns bitte, was Teilnehmerinnen und Teilnehmer dort lernen können.
In den gestalterischen Kursen vermittle ich die angewandte Form des Büchermachens (wie oben beschrieben: Typografie, Satz, Layout, Konzeption, Bildsprache, Produktion). In den Künstlerbuchkursen geht es mehr um den künstlerischen Prozess am Medium Buch, nicht in erster Linie um die technische Umsetzung. Hier liegt mein Schwerpunkt bei künstlerischen Fragestellungen. Aber wie auch in den angewandten Kursen kreisen die Themen immer darum, wie die adäquate Form für einen bestimmten Inhalt aussehen könnte. „Formulieren“ – Form finden.
Sie arbeiten gemeinsam mit Ulrike Stoltz unter dem Namen usus als Künstlerkollektiv. Auf der Websiteboatbook.de findet man Projekte wie boatbook und blattwechsel. Erzählen Sie uns bitte etwas über diese Projekte.
Wir arbeiten seit 35 Jahren künstlerisch zusammen, verfolgen sowohl einzeln eigene Projekte als auch gemeinsame. Vom Künstlerbuch über Raum-Text-Installationen oder hin zur Zeichnung suchen wir für unsere Themen immer wieder das passende Medium als Ausdrucksfläche. Unikatbücher oder Kleinauflagen entstehen ebenso wie Installationen, bei denen wir unsere Texte und die Typografie raumgreifend einsetzen.
boatbook ist eine Serie von Werken, die vielleicht so zusammengefasst werden könnte: „Bücher und Boote sind Transportmittel für Inhalte.“ Mit dieser Analogie setzen wir uns in diesen Arbeiten auseinander. Die zentrale Arbeit in diesem Komplex ist boundless, ein in 1.000er-Auflage gedrucktes Artists’ Book. Sieben ungebundene, in See-/Landkartenform gefalzte Bögen, die wie Leporellos zu lesen sind. Ausgefaltet ergeben alle 7 Bildseiten zusammen eine Fotosequenz eines fahrenden Schiffes. Verpackt ist alles in einer wasserdichten Hülle.
blattwechsel sind gedruckte Postkarten, mit denen wir über unsere Projekte und Ausstellungen informieren, ein analoger Newsletter, dem wir nachträglich auch eine Web-Präsenz gegeben haben.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Buchgestaltung und des Buchs?
Für die Zukunft der Buchgestaltung wünsche ich mir ein wachsendes Bewusstsein für das eigenständige, unabhängige Medium. Weiters aufgeschlossene Verleger und Verlegerinnen und für die Zukunft des Buchs wünsche ich mir neugierige Leserinnen und Leser.
Vielen Dank für das Gespräch!
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